Zugegeben, ich habe einen ziemlich plakativen Titel für diesen Blog-Eintrag gewählt. Mir geht es in diesem Beitrag darum unsere “piratige” Politik, das sachliche Suchen nach Lösungen unter basisdemokratischen Bedingungen, mehr in den Vordergrund zu stellen.
Ich möchte Euch einen Überblick über die aktuell in der innerparteilichen Diskussion befindlichen Lösungsvorschläge geben.
Viele Positionen, auf die ich in meinem Artikel eingehe, sind bereits durch einen Beschluss gedeckt. Ich gehe aber auch auf neue, noch in der Entwicklung befindliche Vorschläge ein, über die erst auf dem nächsten oder übernächsten Parteitag beraten werden könnten. Schließlich sind wir eine basisdemokratische Partei und unsere Parteitage gewährleisten, dass nur qualitativ hochwertige Vorschläge ihren Weg in Parteiprogramm finden.
Problem Europa:
Viele können das Wort „Euro-Krise“ nicht mehr hören. Aber worüber reden wir, wenn wir von „Euro-Krise“ reden? Wir haben in Europa ein strukturelles Problem kombiniert mit einer immer noch anhaltenden Banken- und Schuldenkrise zu tun.
Was bedeutet strukturelles Problem?
Wir sprechen von einem strukturellen Problem, weil keine gemeinsame europäische Struktur in der Sozial- und Steuerpolitik geschaffen wurde. Es gibt kein übergeordnetes europäisches Institut welches z.B. die Finanzmärkte reguliert und für eine gemeinsame Steuerpolitik sorgt. Das macht uns angreifbar, da wir gegeneinander ausgespielt werden und aus diesem Grund waren alle Maßnahmen die Banken zu stabilisieren erfolglos.
Es gibt keine gemeinsame europäische Sozialpolitik.
Menschen aus vielen europäischen Ländern schauen mit Neid auf unser deutsches Sozialsystem. In ihren Ländern gibt es so etwas wie das Arbeitslosengeld II (auch genannt Hartz IV) nicht. Wenn Europa ein Erfolg werden soll, müssen die Menschen etwas von Europa erhalten. Anderenfalls wird die Akzeptanz für ein gemeinsames Europa nicht steigen.
Und wie können wir eine gemeinsame europäische Struktur schaffen und eine Lösung herbeiführen?
Als erstes müssen wir Deutsche und die anderen europäischen Staaten sachlich über die zukünftige Rolle Europas diskutieren: Wollen wir Europa und wie soll es aussehen? Anschließend muss in Deutschland das Volk befragt werden, denn es hat laut Grundgesetz das letzte Wort. Sagt das Volk ja, können wir das Grundgesetz anpassen und den Weg für ein gemeinsames Europa freimachen, sprich die Strukturen die heute fehlen schaffen. Und sagt das Volk nein, dann müssen wir das akzeptieren und dürfen nicht weitermachen wie bisher.
Probleme in Deutschland:
In Deutschland haben wir ein Umverteilungsproblem.
Aber was bedeutet das? Das Geld kommt nur unzureichend dort an wo es gebraucht wird. Ein paar Beispiele: Arbeitslosengeld II Empfänger haben kaum Möglichkeiten sich aus Ihrem Elend zu befreien, immer mehr Menschen brauchen staatliche Transferleistungen und werden zu sogenannten Aufstockern, Familien mit Kindern werden nicht genügend gefördert und Reiche haben genug Möglichkeiten ihr Geld vorbei am Fiskus zu bringen.
Kurzum: Das Geld wird nicht richtig von den Bessergestellten zu den Bedürftigen transportiert.
Die Umverteilung funktioniert auch in anderen Bereichen nicht richtig:
Wir haben erfolgreich dafür eingesetzt, dass die sogenannte Urheberrechtsdebate geführt wird. Dort zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Steuer- und Sozialsystem. Das Geld fließt nicht zu den kleinen Künstlern, sondern bleibt bei den großen Rechteverwertern hängen. Andererseits nehmen Unternehmen wie Youtube mit Werbeeinnahmen sehr viel Geld ein, welches wiederum nicht korrekt an die Künstler fließt.
Wie können wir die Probleme lösen?
Wir haben uns für das Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ausgesprochen. Das Bedingungslose Grundeinkommen würde sofort die gesamte Arbeitslosengeld II Debatte beenden und endlich das tun, was unser aktuelles System sträflich vernachlässigt: Die Familien werden gestärkt. Wir erschaffen durch das Bedingungslose Grundeinkommen auch ein effektives System um der Überalterung der Gesellschaft zu begegnen und um neue Arbeitsplätze im Niedriglohnsegment zu schaffen.
Wie fangen wir an das Bedingungslose Grundeinkommen umzusetzen?
Die Antwort: Langsam, überlegt und mehrgleisig! Langsam, weil unsere Gesellschaft erst lernen muss mit dem neuen System umzugehen. Überlegt, weil wir auf Zahlen und Fakten basierend Politik betreiben und nicht auf Grund einer Ideologie. Mehrgleisig, weil wir die Chance haben müssen einen Irrweg wieder rückgängig zu machen und uns neuen Entwicklungen nicht versperren möchten. Unserer Meinung nach hat diese Art Politik zu machen, all die Jahre gefehlt.
Wie sehen den die Lösungsvorschläge aus?
Als Beispiel wäre da das Sockeleinkommen zu nennen. Nach unserer Vorstellung eine schöne Möglichkeit piratige Politik dem Bürger näher zu bringen. Wir zahlen jedem Einwohner, egal ob Rentner, Kind oder Arbeiter, ein Sockeleinkommen pro Monat aus. Das Geld wird aus der Anhebung des verminderten Mehrwertsteuersatzes von 7% auf 19% gewonnen. Dadurch beseitigen wir das Problem, dass die Steuer nicht denen Menschen hilft denen sie helfen sollte, den Schwächeren in unserer Gesellschaft, sondern den Kapitalstarken. Ferner beseitigen wir jahrelange Klientelpolitik, wie z.B. für das Hotelgewerbe, und fangen an unserem Staat eine effektive Verwaltungsstruktur zu geben. Das Sockeleinkommen kann man nun Schritt für Schritt weiter ausbauen.
Wir wollen die Zusammenarbeit fördern!
Oftmals wird immer vergessen, dass die Piraten an einer Stelle sich von allen Parteien abhebt: Wir sind dafür, dass sich die Politiker nicht im Parlament um Kleinigkeiten streiten sondern an Lösungen arbeiten. Wir setzten uns aktiv dafür ein, dass die Politik mehr zusammen arbeitet. Auch aus diesem Grund wollen wir eine sogenannte Expertenrunde (Enquetekommission) einsetzen. Dort sitzen dann Politiker aus allen Fraktionen zusammen und überlegen, wie sie unser heutiges System zu einem Bedingungslosem Grundeinkommen umbauen können. Dafür benötigen wir 1/4 der Stimmen des Deutschen Bundestages. Das wir diese zusammen bekommen ist nicht ganz abwegig, schließlich haben fast alle Parteien ein Bedingungsloses Grundeinkommen oder ein ähnliches Modell in Entwicklung. Wir haben mehrere Modelle in der Entwicklung, eins davon ist das Modell „Sozialstaat 3.0“, und dieses soll dann von der Expertenrunde behandelt werden.
Wir haben noch mehr Lösungen parat, aber diese kann ich nicht alle mit einen Blogeintrag erklären. Fortsetzung folgt 🙂
Probleme bei den Piraten:
Wir Piraten haben auch diverse Probleme innerhalb unserer Partei, die wir gerade angehen. Zum einen haben wir ein Luxusproblem: Seit in Berlin der Landtag gewählt wurde, sind wir um ein vielfaches gewachsen. Alle die neuen, engagierten Piraten müssen ihren Platz in der Partei finden. Wir investieren daher viel Zeit, aber noch lange nicht genug, um die Neupiraten zu schulen und ihnen dabei zu helfen die richtige Aufgabe in der Partei zu finden.
Unsere Presseabteilung ist chronisch unterbesetzt.
Es wird uns immer vorgeworfen, dass wir keine Inhalte haben. Das stimmt so nicht. Wir haben ein ziemlich umfangreiches und modernes Programm, aber wir bekommen unsere Inhalte nicht genügend transportieren oder wir können sie dem Wähler nicht verständlich erklären. Schließlich kann nicht jeder tagsüber eine Pressemitteilung schreiben, diese mit diversen Stellen innerhalb der Partei abgleichen und dann noch dafür sorgen, dass die Pressemitteilung vor 14 Uhr bei der Presse landet. Die „etablierten“ Parteien haben bezahlte Angestellte und daher, an dieser Stelle, einen Vorteil.
Auch bei den Werbemitteln können wir nicht auf Festangestellte zurückgreifen. Ebenfalls engagieren sich hier viele Piraten ehrenamtlich. Wir sind daher stolz auf unsere schönen Werbekampagnen, die mittlerweile von den anderen Parteien kopiert werden. Wir erstellen auch Flugblätter (Flyer), nehmen sogenannte Podcast auf (Radiosendungen, die man sich im Internet kostenlos runterladen kann) und bringen sogar eigene Zeitungen raus. Alles ehrenamtlich!
Wir schaffen gerade neue Strukturen.
An vielen Stellen innerhalb der Partei wird daran gearbeitet, Strukturen zu schaffen und Arbeitsgruppen miteinander zu vernetzen. Da fast alle Piraten ehrenamtlich für die Partei arbeiten, dauert das natürlich auch hier etwas länger als bei den anderen Parteien. Ferner haben wir gerade sehr erfolgreich Geld für neue Computer gesammelt, damit unsere IT Infrastruktur stabiler läuft und gerade abends den Ansturm vieler Piraten übersteht.
Wir versuchen möglichst alle einzubinden.
Im Moment bereiten wir die nächste Spendenkampagne vor. Diesmal wollen wir Geld für sogenannte Barcamps sammeln. Barcamps sind unsere Piratentreffen und Konferenzen, wo jeder die Möglichkeit hat sein Thema anzubringen und wir all die guten Ideen besprechen die wir haben. Damit möglichst alle Piraten teilnehmen können die wollen, probieren wir auch neue Finanzierungskonzepte aus. Deshalb kann man beim Barcamp Bundestag auch entscheiden wie viel man zahlen möchte. Die finanziell Starken in unserer Partei greifen dabei den schwächeren Parteimitgliedern unter die Arme. Dieses Konzept funktioniert. Warum sollte es nicht auch in unserer Gesellschaft funktionieren?
Euer
Thomas
Hallo Herr Küpper,
Ich möchte widersprechen: wir haben keine Bankenkrise, wir haben auch keine Eurokrise, wir haben eine veritable und hochbrisante Staatsschuldenkrise. Wir nennen es gern Eurokrise, weils einfacher ist, aber dadurch nicht richtiger. Der Finanzmarkt muss nicht reguliert werden, da man sich so eines sehr starken Frühwarnsystems beraubt. wer hat denn gnadenlos aufgedeckt wie es um Europas Verschuldung steht? Aber man sollte die Banken trennen. So wird keine Bank Systemrelevant und der Investmentteil kann in die Pleite entlassen werden ohne Steuergeld hinterher zu werfen.
Umverteilungsproblem. Es ist richtig was sie sagen, dass die “reichen” zu viele Möglichkeiten haben ihr Geld am Fiskus vorbeizuschaffen. Das BGE ist ein guter Ansatz. Ich würde gerne wissen, ob sie das flat-tax Modell ebenfalls diskutiert haben, denn ich denke dieses bietet viel mehr Möglichkeiten, da es ausser einem Steuerfreibetrag (der sehr hoch angesetzt ist) keinerlei Ausnahmen/Ermäßigungen gibt. somit zahlen die reichen zwar weniger Steuern, aber haben keinen Grund ihr Geld ins Ausland zu schaffen. In Summe also ein Gewinn, bedenkt man, dass die wenigen “reichen” den größten Teil der Steuereinnahmen des Staates liefern.
Wenn Sie grundlegend für mehr soziale Gerechtigkeit eintreten, dann müssen Sie auch über den (Un)-Sinn privater Krankenkassen nachdenken Stichwort paritätisches Prinzip.
Ich finds toll, ist auf jeden Fall um einiges bseser und vor allem kostenlos. Ich benutze das ziemlich oft, wenn ich zu Hause bin
Hallo Herr Venker,
vielen Dank für Ihre Antwort!
Ich sehe es genauso wie Sie, wir haben primär eine Staatsschuldenkrise. Mit Bankenkrise meine ich, dass ausgelöst durch die Staatsschuldenkrise die Banken, gerade die Europäischen, in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wir haben uns mehrere Flattax-Modelle angesehen und entwickeln derzeit auch einige Modelle selber. Eins der Modelle, Sozialstaat 3.0 [1], können wir uns wahlweise mit Grundeinkommen oder Steuerfreibetrag (als sogenannte Negative Einkommenssteuer) vorstellen.
In diesem Modell machen wir auch einen Vorschlag zur Umgestaltung der privaten Krankenkassen. Unabhängig vom Modell Sozialstaat 3.0 sind wir Piraten uns der Probleme im Bereich der privaten Krankenkasse durchweg bewusst und arbeiten auch an konkreten Lösungsansätzen. Neben anderen in diesem Bereich aktiven Arbeitsgruppen, wollen wir eine weitere Projektgruppe ins Leben rufen. Das Ziel der Projektgruppe solle es sein, einen bislang noch verbesserungsbedürftigen Vorschlag mit einem gemischten Team von Experten aus unterschiedlichen Bereich zu konkretisieren.
Ich möchte gerne noch einmal zu Modellen zurückkommen. Wenn man ein Modell entwickelt, dann hat man das Bestreben einen Zustand zu simulieren. Realpolitisch sind diese Modelle ehr fraglich zu betrachten, da wird dort gezwungen sein werden viel kleine Schritte zu machen und nicht den Handlungsspielraum haben, in einem Zug ein ganzes Modell zu etablieren.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Küppers
[1] http://sozialpiraten.piratenpartei.de/2012/06/08/als-vorschlag-zur-diskussion-sozialstaat-3-0-version-1-2/
mf6glichen Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland haben wir im Artikel Folgen des Klimawandels dargestellt. Selbst wenn das Zwei-Grad-Ziel ercherit werden wird, ist es unausweichlich fcber