Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn?-oder Ein Sturm im Wasserglas

Gegen Ende des letzten Jahres gab es einige Pressemeldungen im Hinblick auf
eine Initiative zu einem sogenannten „Staatsbürgergeld“ in der AfD (REF ).
Dieses „Staatsbürgerschaftsgeld“ wird mit den Schlagworten Entlastung,
Gerechtigkeit und soziale Sicherheit beworben und geht in Richtung
Grundeinkommen. Ein „linkes“ oder eher sozial-liberales Thema bei dieser
Partei? Die Pressemeldungen hatten gleich den Knackpunkt hervorgehoben:
nicht bedingungslos, sondern nur für Deutsche!

So etwas muss man ja schon irgendwie erwarten. Immerhin sollte es auch auf dem
Parteitag diskutiert werden und immerhin wurden in der Presse durchaus
Prominente der Partei als Befürworter benannt. Schließlich war Sozialpolitik
als eines der Themen des Parteitags benannt, wobei die Presse im Vorfeld
einen Richtungsstreit zwischen dem nationalen Flügel und dem
wirtschaftsliberalen berichtete. Trotzdem das Grundeinkommen als möglicher
Konsens sollte wirkliche BGE Befürworter aufhorchen lassen.

Die politische Unterstützung in der Sache von der nationalen Seite kann leicht zur
Verunglimpfung der BGE z.B. durch konservative oder linke Kreise dienen. Die
Unterstützung durch den wirtschaftsliberalen Flügel birgt die Gefahr des
Missbrauchs, d.h. versteckter Abbau des Sozialstaats statt sichere Existenz
für alle. Bei beidem nimmt die BGE Idee in der breiten Öffentlichkeit
schaden. Gerade jetzt wo COVID-19 beste Gründe für das BGE liefert.

Also, droht das Grundeinkommen von „rechts“ gekapert zu werden? Nein, die
Ablehnung des wirtschaftsliberalen Flügel (REF: Weidel). Die Prominenten
Befürworter sind zurückgerudert, eine Diskussion oder gar einen Beschluss
pro Grundeinkommen gab es nicht. Es sieht insgesamt eher nach einer Aktion
eines einzelnen aus. Trotzdem hat der AfD Bundestagsabgeordnete Rene
Springer tatsächlich ein Grundeinkommenskonzept ausgearbeitet oder
ausarbeiten lassen. Insgesamt handelt es sich um den gut bekannten Ansatz
basierend auf der Einkommensteuer (2-Stufen Modell statt NIFT). Die
Begründung führt bekannte Gründe pro BGE auf: Hartz IV abschaffen,
Wertschätzen aller Formen von Arbeit, Entbürokratisierung,
einfaches&transparentes Steuersystem und andere. Für den BGE Befürworter nichts neues,
aber für die politische Richtung doch ungewöhnlich und in einigen Teilen schlicht: fehlerhaft!

Die Autoren bezeichnen ihr Konzept richtig als partielles Grundeinkommen,
aber aus falschen Gründen. Die Höhe des „Staatsbürgergelds“ soll 500
Euro/Monat betragen. Das bezeichnen sie als „existenzsichernd“ und daher das
Grundeinkommen als partiell. Zwar ist im ALG II Regelsatz ein Anteil zur
gesellschaftlichen Teilhabe, aber Wohnen ist für die sicheren Existenz
notwendig. Daher gibt es die Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU). Erst
beide Bestandteile zusammen führen zur sicheren Existenz und etwas
gesellschaftliche Teilhabe. Da im Konzept ein bedarfsabhängiges Wohngeld
enthalten ist, ist es ein partielles Grundeinkommen und dann sogar ein
partielles BGE!

Der Begriff „bedingungslos“ wird von den Autoren ebenso falsch verwendet.
Die Einschränkung auf Staatsbürger an sich ist nämlich keine Bedingung im
Sinne der Definition des Grundeinkommen durch das Netzwerk Grundeinkommen.
Hier handelt es sich nur um eine Einschränkung der Anspruchsberechtigung.
Wer jedoch anspruchsberechtigt ist, der erhält nach dem Konzept das
„Staatsbürgergeld“ ohne weitere Bedingung insbesondere ohne Nachweis der
Bedürftigkeit oder Verpflichtung zu einer Gegenleistung. Damit entspricht
das „Staatsbürgerschaftsgeld“ den vier BGE Eigenschaften mit Ausnahme der
Höhe. Es handelt sich somit tatsächlich  um ein partielles BGE!

Natürlich ist die Einschränkung auf Staatsbürger beim Konzept ebenso
widersinnig. Das Problem ist vor allem die Finanzierung per Einkommensteuer.
Das Problem hier ist, dass in Deutschland arbeitende Nichtstaatsbürger
einkommenssteuerpflichtig sind, daher müssen für sie die gleichen
Steuerfreibeträge gelten. Die jetzigen bestehenden Freibeträge insbesondere
der Grundfreibetrag wird hier durch das „Staatsbürgerschaftsgeld“
abgebildet. Entsprechend müsste entweder ein paralleles, gleichwertiges
Steuersystem (und Sozialsystem) für Nichtstaatsbürger geschaffen werden oder
eben wie üblicherweise beim BGE: anspruchsberechtigt ist jeder
dauerhaft,legal in Deutschland Lebende. Zusätzlich müsste man entweder im
Ausland lebenden Staatsbürger kein „Staatsbürgergeld“ geben oder diese
unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig erklären.

Die Finanzierungsrechnung im Konzept scheint ebenso fehlerhaft. Bei der
Berechnung auf Basis des Volkseinkommens dürfte die Nichtbesteuerung der
Sozialabgaben nicht berücksichtigt sein. Trotzdem, die sofortige Machbarkeit
eines partiellen Grundeinkommens in etwa der Höhe des ALG-II Regelsatzes
(oder etwas mehr) ist gegeben. Denn das wurde von anderen durchgerechnet,
z.B. im Modell Sozialstaat 3.0 von Michael Ebner.

Insgesamt ist das Konzept zum „Staatsbürgergeld“ zwar etwas fehlerhaft, aber
es entspricht im Großen und Ganzen einem partiellen BGE. Die Autoren scheuen
womöglich vor dem Wort „bedingungslos“. Möglicherweise lässt sich ein
Grundeinkommen ihrer Klientel einfach nur auf eine solche diskriminierende
Art, d.h. als „Staatsbürgergeld“ verkaufen. Schließlich scheint die Angst
vor Fremden dort die politische Debatte zu beherrschen. Immerhin das Konzept
zeigt, die Idee des BGE breitet sich aus. Manche nutzen die höhere
Bekanntheit und Akzeptanz als Trittbrettfahrer. Andere versuchen die
Grundidee passend zu ihrer Weltsicht zu verbiegen. Umso wichtiger ist es das
Wissen um die Idee, mögliche Umsetzungen und Einschränkungen in die
Öffentlichkeit zu tragen.

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